Echt krass,- oder wie?

Ich weiß, daß etwa 60 % meiner Buchverkäufe über Amazon laufen. Und trotzdem: es wäre mir lieber, alle Leute (genau, Sie meine ich auch!) würden mein Buch wo anders kaufen, am besten direkt bei mir. Das kann genauso innerhalb eines Tages abgewickelt werden, dazu eben zusätzlich mit persönlicher, ganz individueller Widmung.

Aber auch mal ganz generell: Man kann sich kaum vorstellen, wie viele qualifizierte Jobs solchen internationalen „Predators“ (vielleicht am besten zu übersetzen mit „Raubtieren“) wie Amazon, Zalando und dergleichen zum Opfer fallen. Alleine in Deutschland sind das sicherlich einige Zehntausend Jobs als Buchhändler, als Fachverkäufer für Mode, Schuhe oder Brillen und dergleichen. Ersetzt mit ein paar hundert miserabel bezahlten Jobs in den Vertriebszentren dieser Internet-Firmen. Warum wohl streiken die Leute bei Amazon immer wieder? Etwa weil sie zu viel Lohn bekommen?
Inzwischen ist auch bekannt geworden, daß die Amazon-Mitarbeiter mittels eines Armbandes mit Sender komplett überwacht werden. Zwei Minuten Inaktivität und der Vorgesetzte ruft zum Rapport. Das ist ja schlimmer als im Knast, schlimmer als beim Reichs-Arbeitsdienst! So werden höchstens Sklaven behandelt, würde ich mal sagen.

Dabei rechnet sich dieses „Modell“ aber nur für den Internet-Händler, denn der Kunde bekommt z.B. kein Buch bei Amazon billiger als im Laden. Aber Amazon bekommt ein Drittel des Preises, ohne groß etwas dafür zu tun. Bei digitalen Büchern. Bei gedruckten Büchern liegt die Marge bei etwa 45 % des Endpreises. Daß das nicht nur Klecker-Beträge sein können, das sieht man schon daran, daß Amazon als Firma mehrere hundert Milliarden Dollar wert ist. Und auch daran, daß und wie diese Firmen Steuern sparen, wie es sonst niemand kann: Individuelle Steuersätze werden da – etwa in Luxemburg – ausgehandelt, die nur knapp über Null liegen. Und diese Firmen haben zig Milliarden Dollar im Ausland geparkt, weil sie es nicht mehr „nach Hause“ bringen können, ohne Steuern darauf zu zahlen. Denn die amerikanische Steuerbehörde IRS verlangt da den gleichen Steuersatz wie von allen anderen…

Ich empfinde das Geschäftsmodell von Amazon und Co als Beschiß, denn ich fühle mich nicht nur übers Ohr gehauen, ich fühle mich dabei auch selbst noch „beschieden“. Und wie gesagt, es geht nicht nur um Amazon, auch wenn die am bekanntesten dafür sind. Alle Zalando Variationen, Brillen- oder Schuhverkaufs-Portale und was es da nicht noch alles gibt unter der Überschrift „Kaufen von zu Hause aus“. All diese „Firmen“ existieren nur, wenn sie möglichst viele echten Läden aus dem Markt geboxt haben, indem sie pro Verkauf zwar nur wenig Profit haben, dafür aber von den großen Verkaufszahlen profitieren. Und jede Menge echter Menschen fliegen dafür aus dem Job,- oder finden erst keinen Job. Und mit oder ohne Steuer-„Vermeidung“, die Wirtschaft hat für solche Firmen auch noch die schön klingende Beschreibung „disruptive Technologie“ und „Industrie 4.0“ auf Lager, was harmlos klingen soll, auch wenn es alles andere als harmlos ist. Genauso wie früher der Begriff „Entsorgungspark“ für unsichere Atommüll-Lagerung benutzt wurde.

Darum mache ich es seit einiger Zeit umgekehrt zur Methode derer, die sich im Laden etwas anschauen und es nachher online bestellen. Denn diese Methode ist doch voll unfair. Deshalb mache ich es so, daß ich mich erstmal online informiere, was es so gibt (Bücher, Elektronik-Teile, Klamotten, Schuhe usw.) und was das so kostet, eventuell gleich noch eine allgemeine Bestellnummer aufschreibe. DANN gehe ich in den Laden um die Ecke und bestelle dort, oft zum gleichen Preis. Da kann ich mir dann z.B. das Buch direkt und in Ruhe anschauen und bekomme von der Buchhändlerin noch fachlichen Rat, wie ihn mir Amazon nicht gibt. („Andere Leute, die dieses Buch bestellt haben, haben auch die folgenden Bücher bestellt“ ist kein Ratschlag, sondern basiert lediglich auf nackter Statistik!). Und ich vergrößere nicht den immensen Reichtum einiger Internet-Milliardäre, sondern trage dazu bei, daß ein Mensch seinen Lebensunterhalt auf faire Weise und zu fairen Bedingungen verdienen kann.

Das ist so viel geiler und befriedigender als „shopping von Zuhause“!
Also echt: Wer mag schon mit leblosen Maschinen statt mit Menschen reden,- das ist doch so was von vorgestern!

* * *

Nachtrag:

Mich hat neulich ein Leser gefragt, was ich gegen Amazon und Co hätte. Die würden doch auch Arbeitsplätze schaffen. Und bestreikt würden die doch vor allem in Ostdeutschland, denn dort gebe es wohl ein kulturelles Problem oder die Gewerkschaften haben einmal mehr zu viel Macht. Und vor allem, Amazon würde doch in die Fläche liefern, also Leuten Zugang zu Büchern etc. bringen, die nicht in einer großen Stadt, sondern auf dem Land wohnten.

Daß darunter der kleine Mann, sprich Händler zu leiden habe, das sei gewissermaßen Tradition und früher schon so gewesen. Statt dessen sollte man auf Amerika blicken, denn die würden uns vormachen wie Wirtschaft heute zu funktionieren habe.

Starker Tobak!

Doch der Reihe nach:

Also ganz ohne Arbeitsplätze geht es nun mal nicht, nicht mal bei Amazon. Und in riesigen Material-Lagern braucht man halt schon ein paar Leute, die die Bestellungen zusammenstellen und das Ganze verwalten. Daß diese Zentren in strukturschwachen Gebieten stehen hat nichts mit Menschenfreundlichkeit zu tun, sondern vor allem damit, daß man dort leichter Menschen findet, die zu schlechteren Bedingungen zu arbeiten bereit sind als etwa in Industrie-Zentren mit vielen Konkurrenz-Firmen. Das ist also eine profitorientierte Entscheidung, keine von Sozialer Verantwortung getriebene Entscheidung, wie es uns solche Firmen gerne erzählen wollen. Man geht dahin, wo man am günstigsten arbeiten lassen kann. Und vielleicht noch „Strukturhilfe“ oder „Steuervergünstigungen“ bekommt. Aus dem gleichen Grund sind auch viele deutsche Firmen mit der Produktion ins europäische Ausland gegangen, denn dort kann man billiger produzieren.

Nebenbei geht es bei den Streiks bei Amazon.de weniger um Geld sondern vor allem darum, daß Amazon, wie praktisch alle anderen Firmen in diesem Gewerbe, endlich einem Tarifvertrag zustimmen soll, der die Rahmenbedingungen für alle Beschäftigten festlegt. Dumm nur, daß für die allermeisten Amerikaner „Gewerkschaft“ gleich „Kommunismus“ ist… Was einen nicht wundern sollte, wenn es dort ein Donald Trumpp bis ins Präsidenten-Amt schafft.

Von den Standorten „im Osten“ bleibt einzig genau Leipzig in Sachsen übrig. Mindestens sechs andere Standorte liegen „im Westen“: Bad Hersfeld (HES), Rheinberg (NRW), Werne (NRW), Koblenz (RP), Pforzheim (BaWü) und Graben/Augsburg (BAY).

Und dann gibt es noch das weit verbreitete Gerücht, daß erst durch Amazon & Co. die Belieferung weiter Teile der Bevölkerung „in der Fläche“ möglich geworden sei. Wer das behauptet, darf eigentlich nicht älter als 15 Jahre sein. Was ist mit Otto-Versand, mit „Neckermann macht’s möglich“ und mit Bertelsmann Buchclubs? Alle diese (und viele kleinere) haben früher schon Versandhandel betrieben, der Unterschied ist dabei nur, daß es damals mit einem Katalog ging und heute mit dem Internet. Das ist dann aber auch der einzige Unterschied. Halt! Damals haben in „Quelle-Shops“ und so noch viele Frauen etwas dazuverdient, als Annahmestelle und Abholstelle für die Pakete, und oft war noch ein kleines Sortiment der gebräuchlichsten Artikel dort zu finden. Und was machen Amazon & Co, wenn der Empfänger nicht zu Hause ist und die Sendung nicht in den Briefkasten passt? Eben! Dann hat der Kunde eben auch die Lauferei. Das hat sich inzwischen schon zu einem richtigen Ärgernis entwickelt, wenn Lieferungen eben doch mehr und x-fache Rennereien bedeuten. Von den durch Lieferfahrzeugen verstopften Straßen ganz zu schweigen. Und auch die Ausfahrer der Paket-Dienste bekommen bekanntermaßen nur ein besseres Trinkgeld statt eines angemessenen Lohnes.

Wenn ich über Amazon Second-Hand-Bücher kaufe, dann sind meistens Porto und Verpackung ein Mehrfaches des eigentlichen Preises des/der Bücher. Da spar ich doch einen Haufen, wenn ich um die Ecke zum Second-Hand Buchhändler gehe, denn da gibts keine Extra-Kosten. Aber oft unverhofft interessante Bücher. Ich mache das z.B. in Berlin, wo ich einmal im Jahr bin. Und oh Wunder, es gibt auch im Ausland deutsche Bücher „second hand“. Andere Bücher lasse ich mir eben besorgen von Freunden, wenn die an einem Buchladen vorbeikommen. So viel Zeit zum Abwarten habe ich. Und ganz nebenbei gibt es inzwischen riesig viele E-Bücher, oft als gratis Download (siehe Lesen ohne Reader).

Und was für Bücher gilt, gilt auch für praktisch alle anderen Sachen.

Und weil dem so ist, darum mag ich keine solchen Firmen wie Amazon, Zalando (mit ihrer super-blöden Werbung noch dazu) und deren Nachmacher.

P.S. Zu Zalandos „Schrei vor Glück“ gibt es die viel bessere Alternative:
Schroeder Roadshow Schrei Dich frei,  (Youtube)!

* * *

Das kam im Dezember 2017 irgendwie auf meinen Bildschirm. Fand ich so klasse, daß ich es niemandem vorenthalten will. Und das ist nicht Mario Barth, sondern Markus Barth! Klingt ähnlich, isses aber nich! Wer Pufpaffs Happy Hour kennt, wird wohl auch Markus Barth kennen. (auf den Text klicken öffnet den Text auf einer neuen Seite und größer, d.h. es ist einfacher zu lesen…)

Markus Barth zu Buchläden

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(c) Mai 2018


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