Thais und Kaffee - eine komische Mischung
Wenn ich so zu Fuß auf den Straßen unterwegs bin, aber auch sonst, dann fallen mir die vielen kleinen Kaffee-Buden auf. Und dabei meine ich nicht die Starbucks-Filialen, die überall aus dem Boden geschossen sind, sondern die kleinen, teilweise nur aus einem Push-Kart bestehenden „Cafes“, aber auch oft in Budenform oder als "Anbau" an ein Haus.
Dabei ist Thailand eigentlich kein traditionelles Land für Kaffee-Trinker, wie etwa Brasilien oder auch die USA. Ich glaube vielmehr, daß der Siegeszug des Kaffees in Thailand erst zur Zeit der Stationierung von GIs im Vietnamkrieg begann. (Das war der Krieg, bei dem große Teile der Luftwaffe und der Hauptteil der Verwaltung in einem Nachbarland stationiert waren, statt im Kriegsgebiet.). Laut Wikipedia startete der ehemalige König Bhumiphol in den 70ern Projekte für Bergbauern, die Kaffee anbauen sollten. Der Anbau setzt eine Menge billige Arbeitskräfte voraus. Das war schon in Brasilien vor 100 Jahren so, vor 50 Jahren auch noch in Thailand. Die bessere Sorte Arabica braucht Hochland-Wetter; da paßte es ganz gut, daß im Hochland Bergstämme leben, die auch schon früher immer von den Thais ausgebeutet wurden, bis auf den heutigen Tag. (Bestes Beispiel dafür sind die Longneck-Karen.) Diese Bergstämme wurden angelernt als Kaffee-Bauern. Die Sorte Robusta, die mehr Koffein, dafür aber weniger Geschmack hat, wurde im Flachland angebaut, wo es der Boden hergab. Das reicht von der Provinz Chumphon bis weit in den Süden Thailands. Der klassische Nescafé stammt von da, wie mir mal ein amerikanischer Kleinst-Kaffeeröster sagte. Laut Wikipedia ist nur 1% Arabica, der Rest ist Robusta.
Wohl schon früher gab es den "cafe boran", also den Kaffee auf alte Art, und das ist Zichorien-Kaffee. Schmeckt anders, war aber nach dem letzten Krieg in Deutschland auch als Kaffee-Ersatz getrunken worden. Ich habe die Entwicklung erst seit den 80er Jahren mitbekommen, und da gab es Starbucks noch nicht, nicht mal in Seattle. Aber es gab eine Kette, die vereinzelt Läden hatte, das war "Black Canyon". Die habe ich hauptsächlich in (damals noch neuen) Einkaufszentren gesehen. Die hatten etwa ein halbes Dutzend Arten der Zubereitung und ein paar Süßigkeiten, "Damit man den Kaffee nicht so trocken runterschlucken muß". Später ist mir dann „Cafe Amazon“ aufgefallen, die hatten und haben sich an eine Tankstellen-Kette dran gehängt, speziell an Überlandstraßen. Und dann hatte schnell jede Tankstellen-Marke ihre zugehörige Kaffee-Kette.
Starbucks, als Edel-Kaffee-Kette für vermögende Thais - andere konnten sich die Preise dort nicht leisten - kam erst später, in Bangkok und Provinzhauptstädten, eben wo die entsprechende Kundschaft vermutet wurde. Und neben den Ketten gab es Unmengen an kleinen Kaffee-Stationen, etwa an den Märkten oder Bushaltestellen, wo es beides gab, „Cafe Boran“ als auch Nescafé, dazu oft Kakao (a la Nestle) und Tee, alles heiß oder auf Eis. Im Süden war Oliang beliebt, schwarz, meist mit etwas braunem Zucker und mit Eis („O-liang“ = schwarz-kalt). Filterkaffee gab es an solchen Ständen und „Cafes“ eigentlich erst Mal nicht. Das war den Ketten vorbehalten, die den Luxus von aufgebrühtem Kaffee anboten. Und nix Espresso, Capuchino etc., das kam erst später, mit den Vollautomaten und wohl auch mit Starbucks, die sich in Thailand ausbreiteten. Die in einigen Gegenden vorkommenden BonCafe sind übrigens eine Kette aus Singapur, aber mit Schweizer Gründern.
Heute haben praktisch alle so kleine Vollautomaten, die Standard-Kaffee („Americano“) machen, ebenso wie Cappuccino und Latte und noch ein paar Arten. Nur „Crema“ habe ich in Thailand noch nicht gesehen.
Die Preise fangen an bei 20 Baht an PushKarts *, die meisten kleinen Stände verlangen 40 bis 50 Baht pro Tasse und in den Ketten fangen die Preise so bei 60 bis 70 Baht an, in Starbucks aber geht es bei über 100 Baht los. Wie die Kleinen bei solchen Preise finanziell überleben können, das frage ich mich allerdings. Zumal es so viele davon gibt. Gehe ich ein paar hundert Meter zum Einkaufen, sind da mindestens drei Cafes, gehe ich etwa gleich weit in die andere Richtung zu Essen, sind da auch mindestens drei Cafes, in der Regel sitzt da niemand drinnen oder ein einsamer Gast. Da frage ich mich dann doch: Wo soll das alles enden?
Bleibt noch anzumerken, daß der vietnamesische Kaffee als qualitativ höherwertig angesehen wird. Dort wurde durch französische Kolonialisten in den 1920ern erstmals Kaffee in größeren Mengen angebaut.
Und ich? Ich trinke inzwischen zu Hause nur Nescafé, nicht wegen des Geschmacks, sondern aus Bequemlichkeit. Früher war ich mal auf Tee gebucht, aber mit dem Ventilator am Rotieren kann man hier keinen Tee warm halten. Also, Nescafé.
Warum gerade jetzt das Thema? Weil bei uns im Haus gerade ein neues „Cafe“ eingerichtet wird, obwohl das bei den Mieten nicht lange existieren dürfte. Da ist auch schon ein Nudelshop daran gescheitert. Warten wir es ab, und trinken einen Kaffee.
* In Pattaya am Strand gibt es Nescafe "vom Fahrrad", also fliegenden Verkäuferinnen, für 10 Baht.
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(Aktueller Stand November 2020)
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